Die Außentemperaturen sinken – eine gute Gelegenheit für die LowTEMP Partner, deutsche Pilotprojekte der nachhaltigen Wärmeversorgung zu besuchen
Das im Interreg Ostseeraumprogramm geförderte Projekt „LowTEMP“ zum nachhaltigen Ausbau der Fernwärmeversorgung hat Mitte Januar zum dritten Mal eine Studienreise für Projektpartner und interessierte Stakeholder aus den Partnerländern organisiert. Nachdem die Partner im vergangenen Jahr zu Vor-Ort-Besuchen in Dänemark und Schweden eingeladen waren, standen dieses Mal Besichtigungen und Vorträge zu beispielhaften Projekten der nachhaltigen Fernwärmeversorgung in Berlin und Brandenburg auf der Agenda. Die aconium, die im Projekt LowTEMP das Projekt-, Kommunikations- und Finanzmanagement umsetzt, hat die zweitägige Veranstaltung gemeinsam mit den Partnern der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus und dem Hamburger Zentrum für Energie, Bauen, Architektur und Umwelt (ZEBAU GmbH) organisiert.
Fast 40 Teilnehmer aus allen acht LowTEMP-Partnerländern trafen sich zum Auftakt der Veranstaltung in Berlin Adlershof, Deutschlands größtem Wissenschafts- und Technologiepark. Hier wird auch ein integriertes Energiekonzept umgesetzt, mit dem Ziel, den Primärenergieverbrauch im Quartier um mindestens 30 Prozent zu senken. Besonders hervorzuheben ist dabei das Niedertemperaturnetz für das neu errichtete Wohngebiet „Wohnen am Campus“. Hier wird die Versorgung eines Niedrigenergie-Wohnquartiers mit Fernwärme aus einem Blockheizkraftwerk (BHKW) umgesetzt. Im Vergleich zu dezentralen Lösungen (Gaskessel oder BHKW) können so bis zu 75 Prozent Primärenergie eingespart werden und verglichen mit klassischer Fernwärme ist eine Einsparung von circa 20 Prozent Primärenergie realisierbar. Neben Vorträgen und einem Besuch des Wohngebiets, hatten die Partner die Möglichkeit, die Power-to-Heat Anlage im Kraft-Wärme-Kopplungs-Heizkraftwerk der BTB GmbH zu besichtigen.
Anschließend reisten die Partner nach Cottbus, wo sie zuerst in der Energiesparschule „Max-Steenbeck-Gymnasium“ empfangen wurden. Hierbei handelt es sich um eines der ersten ehemals in Plattenbauweise errichteten Schulgebäude, das nach Passivhaus-Kriterien saniert wurde. Eine Besonderheit bei der Wärmeversorgung ist die Nutzung eines 40 m² großen Solarkollektorfeldes zur Gewinnung von Solarwärme für die Warmwassererzeugung in der Turnhalle. Solarwärme, die nicht direkt genutzt wird oder für die Warmwassererzeugung ein zu niedriges Temperaturniveau hat, wird eingelagert.
Der Wärmemarkt ist mit rund 57 Prozent der größte Endenergieverbrauchssektor Deutschlands. Auf die Heizung und Warmwasserversorgung privater Haushalte entfallen davon 66 Prozent. Der energieeffiziente Fernwärmeabsatz stagniert in Deutschland jedoch bei etwa 120 Milliarden kWh pro Jahr. Dabei wären Fernwärmesysteme der vierten Generation ein wichtiges Mittel, um die EU-Klimaziele zu erreichen: 20 Prozent mehr Energie-Effizienz bis 2020 (im Vergleich zu 1990). Der EU-Mitgliedsstaat Deutschland will etwa beim Gebäudebestand bis 2030 den Energieverbrauch um zwei Drittel reduzieren und hier bis 2050 klimaneutral sein.
Quelle: BDEW, BMU
Am zweiten Tag der Studienreise besuchten die Projektpartner die Cottbusser Wohnungsbaugenossenschaft eG Wohnen. Besondere Attraktion waren Vorstellung und Besuch der energieautarken Sonnenhäuser, die gerade fertiggestellt wurden. Die Mehrfamilienhäuser versorgen sich selbst mit Wärme und Strom aus der Sonne. Das energetische Grundkonzept der Gebäude war Anlass für die Projektpartner, die Vor- und Nachteile von konventioneller Fernwärmeversorgung im Vergleich zu einer autarken, dezentralen Wärmeversorgung im Gebäude zu diskutieren.
Letzter Programmpunkt der Studienreise war der Besuch von Berlins größter Solarthermie-Anlage, die im vergangenen Jahr von Vattenfall im Stadtteil Köpenick errichtet wurde. Das Heizkraftwerk versorgt rund 10.000 Haushalte mit Fernwärme, die durch die Energiegewinnung aus der Sonne nun weitaus klimaneutraler ist. Edgar Scheider, verantwortlicher Ingenieur bei Vattenfall, sieht in dem Einsatz der Solarthermie-Anlage einen wichtigen Beitrag des Unternehmens zur Energiewende. Neben dem Ausstieg aus der Braun- und Steinkohle im kommenden Jahrzehnt, zählt auch der Ausbau des Fernwärmenetzes zum Maßnahmenkatalog von Vattenfall. Berlin verfügt schon jetzt über das größte Fernwärmenetz in Westeuropa. Vattenfall, größter Energielieferant der Hauptstadt, erarbeitet derzeit zusammen mit dem Land Berlin eine Machbarkeitsstudie zum Kohleausstieg, die im ersten Halbjahr 2019 vorliegen soll. Die Erfahrungswerte aus der neuen Solarthermie-Anlage sollen darin einfließen.
Die Studienreise hat den Teilnehmern wichtiges Wissen zu nachhaltigen Wärmeversorgungssystemen vermittelt. In den kommenden zwei Projektjahren sollen dieses Know-how und das gesteigerte Bewusstsein zur Notwendigkeit der Einführung von zukunftsorientierten Fernwärmesystemen dazu beitragen, im gesamten Ostseeraum energieeffiziente, nachhaltige und innovative Projekte der Wärmeversorgung umzusetzen.
Weitere Informationen zum Projekt „LowTEMP – Low Temperature District Heating for the Baltic Sea Region”.