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Die heutige Landwirtschaft hat nur noch wenig mit dem idyllischen Bild des traditionellen Bauernhofes gemein. Auch landwirtschaftliche Betriebe arbeiten digitaler, und Künstliche Intelligenz (KI) übernimmt immer mehr Aufgaben in der Agrarwirtschaft. Universitäten, Forschungsinstitute und Unternehmen entwickeln intelligente Agrarroboter, die die Landwirte bei ihren alltäglichen Aufgaben unterstützen sollen – von der Bodenanalyse über Saat und Ernte bis zur Instandhaltung der landwirtschaftlichen Maschinen. Dr. Stefan Stiene leitet in Osnabrück das Kompetenzzentrum Smart Agriculture Technologies (SAAT) des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI). Im Interview erzählte er aconium, welche Rolle KI in der Landwirtschaft heute spielt und welches Potenzial in intelligenten Robotern und Wissensdatenbanken für die Agrarwirtschaft noch steckt.

aconium: Welche konkreten Beispiele gibt es bereits für den Einsatz von KI in der Landwirtschaft?
Dr. Stefan Stiene: Das kann zum Beispiel die mechanische Unkrautbekämpfung sein. Hier existieren seit mehreren Jahren verschiedene Forschungsprototypen, aber es gibt inzwischen auch Firmen, die einen solchen Roboter vermarkten. Andere Roboter werden in der Ernte eingesetzt. Hier gibt es ein Spin-Off der Universität Wageningen in den Niederlanden, die einen Roboter für die Paprikaernte entwickelt. Aber auch über die Robotik hinaus gibt es verschiedene Anwendungsbereiche von KI: Beispielsweise in der Analyse von Satelliten- oder Drohnendaten über Bildverarbeitungsalgorithmen oder Systeme, die versuchen, über Modellbildung Vorhersagen über Wetterveränderungen auf die Landwirtschaft abzuleiten.

aconium: Welche Anwendungsszenarien für KI in der Landwirtschaft können Sie sich darüber hinaus für die Zukunft vorstellen?
Dr. Stiene: KI ist nicht eine Technologie, sondern eine Sammlung verschiedener Werkzeuge (Wissensmanagement, Sprachverstehen, Bildverstehen, Robotik etc.), die einzeln oder in Kombination in vielen Bereichen der Landwirtschaft einen Mehrwert bringen können. Rund um die Uhr arbeitende Agrarroboter könnten kontinuierliche Agrarprozesse übernehmen. Es könnte darüber hinaus eine Wissensdatenbank aufgebaut werden, die Fachwissen von Boden- und Pflanzenkundlern und Agrarökonomen, sowie Umwelt- und Prozessinformationen enthält. So eine Disziplin übergreifende Wissensbasis kann als Grundlage für KI-basierte Unterstützungssysteme in der Entscheidungsfindung von Landwirten oder sogar direkt von Agrarrobotern genutzt werden.

aconium: Welche Hausforderungen sehen Sie, die die Umsetzung dieser Szenarien aktuell erschweren oder verhindern?
Dr. Stiene: Wichtig ist beispielsweise im Bereich Agrarrobotik nicht nur zu überlegen, wo Agrarroboter aktuell hineinpassen, sondern man muss hier Agrarprozesse und Robotersysteme gemeinsam weiterentwickeln. Wie müssen Agrarprozesse aussehen, damit Vorteile von Agrarrobotern z.B. für einen kontinuierlichen Betrieb oder eine einzelpflanzenspezifische Bearbeitung genutzt werden können? Und wie müssen Agrarroboter gestaltet werden, damit sie hier ideal hineinpassen? Auch müssen Voraussetzungen geschaffen werden, solche Systeme zum Anfassen in Testbetrieben zu etablieren, um deren Langzeitbetrieb unter Realbedingungen evaluieren zu können.

aconium: Wie können diese Herausforderungen Ihrer Meinung nach überwunden werden?
Dr. Stiene: Um Prozesse und Robotersysteme gemeinsam zu optimieren, muss dieses Thema interdisziplinär angegangen werden. Hier sehe ich vor allem praxisnahe Forschungsprojekte oder den staatlich geförderten Betrieb dieser Systeme in realen Betrieben, um die Erfahrungen und Wünsche der Landwirte als Endanwender in den Entwicklungsprozess zu integrieren.

aconium: Was wünschen Sie sich für die Zukunft der KI in der Landwirtschaft?
Dr. Stiene: Ich erhoffe mir durch den Einsatz der Werkzeuge, die die KI bietet, dass die Landwirtschaft der Zukunft gleichzeitig ökologisch und effizient ist. Dem Landwirt sollen zeitraubende Routineaufgaben abgenommen werden. Er wird – von KI-basierten Entscheidungsunterstützungssystemen unterstützt – im Zentrum der strategischen Entwicklung seines Betriebes bleiben. Durch optimierte Datenmanagementsysteme werden ihm viele Dokumentationspflichten automatisch, aber gleichzeitig transparent, abgenommen.

 

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