© Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Dr. Florian Lehmer, Leiter der Arbeitsgruppe „Arbeit in der digitalisierten Welt“.

Die Digitalisierung bedeutet für die Arbeitswelt vor allem einen höheren Grad der Vernetzung – zwischen Menschen, Maschinen und Unternehmen. Schon heute arbeiten agile Projektgruppen international, virtuell und vernetzt. Wie sieht die nächste Entwicklungsstufe der Arbeitswelt aus? Im Interview mit der aconium GmbH sprach Dr. Florian Lehmer, Leiter der Arbeitsgruppe „Arbeit in der digitalisierten Welt“ am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit, über die aktuellen und zukünftigen Auswirkungen des technologischen Wandels auf die Arbeit.

aconium: In welchen Bereichen der Arbeitswelt ist der technologische Wandel heute am deutlichsten zu spüren – und in welchen am wenigsten?
Dr. Florian Lehmer: Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Dienstleister vernetzter arbeiten als die Industrie. Ganz vorn dabei sind vor allem Dienstleister aus dem Bereich Informations- und Kommunikationstechnik, die ohnehin mit Digitalthemen zu tun haben, aber auch Architekturbüros, Rechts- und Steuerberater oder Unternehmensberater. Einen geringen Grad an Vernetzung sehen wir hingegen im Bausektor und bei kleinen Handwerksbetrieben. Generell sind große Unternehmen besser vernetzt als kleine Betriebe und in der Stadt ist der Digitalisierungsgrad höher als in ländlichen Regionen. Das hängt mit der vorhandenen digitalen Infrastruktur zusammen. Wo bereits schnelles Internet zur Verfügung steht, führen Unternehmen auch eher digitale Arbeitsweisen ein. Der laufende Infrastrukturausbau motiviert die Betriebe, digitaler zu arbeiten. Man kann sagen: Schnelles Internet bildet die Grundlage für die Weiterentwicklung der Arbeitswelt.

aconium: Wie sieht die Arbeit in der digitalisierten Welt in Zukunft aus?
Dr. Lehmer: Schon heute arbeiten Mensch und Roboter zusammen – das wird in Zukunft noch viel mehr geschehen. Maschinen übernehmen die körperlich schwere Arbeit. Das beobachten wir schon jetzt in der Logistik und der Fertigung. Die Aufgaben des Menschen verlagern sich weg von körperlichen Tätigkeiten wie Material oder Produkte heben, bewegen und bearbeiten, hin zum Bedienen und Überwachen der Roboter. Das steigert unsere Produktivität. Insgesamt werden wir zukünftig räumlich und zeitlich flexibler arbeiten – und damit idealerweise kreativer und freier. Wiederholbare Tätigkeiten und Routinen übernehmen dann die Maschinen. Ein Beispiel: Ein Radiologe muss in Zukunft nicht mehr selbst die Röntgenbilder auswerten – das macht ein Algorithmus. Der Radiologe hat damit viel mehr Zeit, Schlüsse aus den bereitgestellten Analysen zu ziehen und dem Patienten die Untersuchungsergebnisse zu erklären. Das bedeutet, dass wir in Zukunft analytischer, kreativer und interaktiver arbeiten werden.

aconium: Vor welchen großen Herausforderungen stehen Arbeitnehmer und -geber hinsichtlich einer digitalisierten Arbeitswelt?
Dr. Lehmer: Die Ausbildung und das Studium reichen schon heute nicht mehr für ein ganzes Arbeitsleben aus, weil sich die Arbeitswelt und damit die Herausforderungen immer schneller verändern. Arbeitgeber müssen ihre Mitarbeiter qualifiziert halten. Weiterbildungen und lebenslanges Lernen werden also in Zukunft immer wichtiger, um mit den technologischen Entwicklungen weiter Schritt halten zu können.

aconium: Wie können diese Herausforderungen Ihrer Meinung nach überwunden werden?
Dr. Lehmer: Mein persönlicher Eindruck als Arbeitsmarktforscher: Das Bildungssystem steht vor großen Herausforderungen – das ist auch bekannt. Um Kinder darauf vorzubereiten, in der digitalen Welt von morgen zurecht zu kommen, reicht es nicht, den Schülern Laptops zu geben. Es müssen neue, digitale Kompetenzen vermittelt werden. Dazu gehört es zum Beispiel, Fake News von wahren Meldungen zu unterscheiden oder sich beim Thema Datenschutz auszukennen. Nach der Schulzeit kommen Ausbildung oder Studium und auch danach müssen die Arbeitnehmer weiter lernen. Die Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter ist eine besondere Herausforderung für kleinere Betriebe.

aconium: Was wünschen Sie sich für eine optimal digitalisierte Arbeitswelt?
Dr. Lehmer: Ich wünsche mir eine humane Arbeitswelt ohne stupide und körperlich schwere Arbeit; in der wir mehr Freiräume haben. Dann können Arbeitnehmer selbst entscheiden, wann, wo und wie sie arbeiten. Es soll eine Flexibilität in der Arbeitswelt geben, die den Arbeitnehmern nicht schadet, sondern von der sie profitieren. Zusammengefasst: Ich wünsche mir, dass wir einfach besser arbeiten.

Weitere Informationen zum Thema Arbeit der Zukunft finden Sie in den Dossiers zur Digitalisierung der aconium GmbH: