Foto: Werner Overkamp, Geschäftsführer der STOAG Stadtwerke Oberhausen GmbH. Vizepräsident und Vorsitzender des Verwaltungsrates Personenverkehr Bus beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV)

Die Digitalisierung im Öffentlichen Personennahverkehr schreitet immer weiter voran und verändert die Mobilität nachhaltig. Sie eröffnet viele neue Möglichkeiten, Prozesse zu beschleunigen und vor allem in ländlichen Regionen eine flächendeckende Anbindung zu erschließen. Werner Overkamp, Vizepräsident beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, zeigt im aconium Interview in „5 Antworten“ die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung der Mobilität im ländlichen Raum auf.

aconium: In welchen Bereichen haben digitale Anwendungen bereits zur Weiterentwicklung von Mobilität in ländlichen Räumen beigetragen?
Werner Overkamp: Durch die digitale Transformation verlegt sich der Zugang der Fahrgäste zu Informationen und zu Tickets zunehmend ins Internet und in Apps auf private Endgeräte. Damit können Auskünfte und Services digital und ohne Weg zur Haltestelle oder ins Kundenzentrum überall angeboten werden. Dies vereinfacht die Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und die Buchung von Ergänzungsangeboten wie beispielsweise Sammeltaxis.

aconium: Welche weiteren Vorteile kann die Digitalisierung in ländlichen Regionen bringen?
Werner Overkamp: Zentrale Aufgabe ist die Verfügbarkeit von Informationen über die Bus- und Bahnangebote in Echtzeit. Gerade im ländlichen Raum, wenn eine Linie im Stundentakt verkehrt, sind schnell verfügbare Informationen über Fahrplanabweichungen und verlässliche Sicherungen von Anschlüssen für Umsteiger wichtig für die Zufriedenheit der Kunden.
Eine zukünftige Ergänzung des ÖPNV sind sogenannte Linienbedarfsverkehre, die auf Nachfrage der Kunden eingesetzt werden und damit eine flexible zeitliche und räumliche Ausdehnung des ÖPNV-Angebots erlauben. In einigen Regionen werden solche ÖPNV-integrierten On-Demand-Angebote bereits eingesetzt – und erfreuen sich zunehmender Beliebtheit.
Die dritte Neuerung können digitale Ticketangebote mit sogenannten elektronischen Tarifen sein. Der Vorteil dabei: Eine automatische Endabrechnung, die für den Kunden den besten Preis ergibt. In einigen Bundesländern werden bereits landesweite Systeme erprobt und eingeführt, die gerade für Menschen im ländlichen Raum die Fahrt über bisherige Tarif- und Verbundgrenzen vereinfachen.

aconium: Welche Herausforderungen sehen Sie bei der nachhaltigen Entwicklung ländlicher Räume durch die Digitalisierung?
Werner Overkamp: Der ÖPNV fährt überall. Dadurch entsteht aber auch bei allen Angeboten und Neuerungen die Notwendigkeit der vollständigen digitalen Ausstattung in der Fläche, auch dort, wo es sich unternehmerisch nicht lohnt. Hier benötigen wir als ÖPNV grundsätzlich finanzielle Unterstützung, um die digitale Transformation flächendeckend umzusetzen. Die Herausforderung: Um den ÖPNV im ländlichen Raum zu digitalisieren, müssen auch dort stabile und leistungsfähige Mobilfunk- und Internetverbindungen zur Verfügung stehen.

aconium: Wie können diese Herausforderungen überwunden werden?
Werner Overkamp: Die Schaffung digitaler Infrastruktur und die digitale Transformation eines ÖPNV-Angebotes, das als Daseinsvorsorge und auch dem Klimaschutz dient, ist eine öffentliche Aufgabe. Die öffentliche Hand muss die Flächendeckung von Echtzeitinformationen, digitalen Ticketangeboten und On-Demand-Angebotsergänzungen finanzieren, um gleichwertige Lebensverhältnisse anzustreben.

aconium: Welche Vision haben Sie für die weitere Entwicklung ländlicher Regionen im digitalen Zeitalter?
Werner Overkamp: Man sollte auch auf dem Land leben können, ohne das Gefühl zu haben, ein eigenes Auto zu benötigen. Arbeiten von zu Hause, Dienstleistungsangebote im Netz und digitale Medizin machen zunehmend den einen oder anderen Weg überflüssig. Mittel- bis langfristig können hochautomatisierte Shuttles fahrerlos überall ein ständig verfügbares ÖPNV-Angebot sicherstellen. Spätestens dann braucht man kein eigenes Auto mehr. Diese Entwicklung wird an den Stadträndern beginnen.