Auf der atene KOM-Zukunftsreise treffen wir Menschen, für die Digitalisierung mehr als nur ein Schlagwort ist. Drei Fragen an Prof. Dr. Robert Keller, Professor für Informationsmanagement & Digitalisierung an der Fakultät für Tourismus-Management an der Hochschule Kempten, und in leitender Funktion am Institut für Nachhaltige und Innovative Tourismusentwicklung, dem Kernkompetenzzentrum Finanz- & Informationsmanagement und am Institutsteil Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT tätig.
Herr Keller, warum setzt das Allgäu beim Tourismus auf digitale Technologien?
Im Tourismus haben wir jahrelang versucht, so viele Leute wie möglich in eine bestimmte Region zu bekommen. Dieser Ansatz war zwar erfolgreich – aber er brachte den Verkehr und die Bewohner an ihre Grenzen, was zu einer geringeren Akzeptanz in der Bevölkerung führt.
Unsere Hochschule versucht nun herauszufinden, wie man diesen „Overcrowding“-Effekten entgegensteuern kann. Dafür entwickeln wir zum Beispiel digitale Lenkungskonzepte, um diesen Andrang zu entzerren. Wenn wir solche digitalen Konzepte umsetzen wollen, erfordert dies viele Maßnahmen: Der erste Schritt ist, eine Sensorik aufzustellen, um automatisiert an diese Daten zu kommen. Der zweite Schritt ist, diese ganzen Daten zu speichern, zu verarbeiten und zu veranschaulichen. Im dritten Schritt erstellen wir dann anhand dieser Daten eine Prognose, wo wann wie viel los sein wird. So helfen uns digitale Technologien, Overcrowding aktiv zu erkennen.
Die spannende Frage ist aber: Auf welche Art können wir gegensteuern? Dazu gibt es viele Konzepte, von den kleinteiligen Entscheidungen bei der Wegfindung bis hin zur großflächigen Steuerung der Urlaubsplanung. An unserer Hochschule haben wir zum Beispiel so einen Ansatz entwickelt, der Menschen dazu animieren soll, vom Auto auf ein Busangebot umzusteigen. Dieser Bus fährt die Urlauber dann an Ziele, die gerade nicht überlaufen, aber trotzdem für die Urlauber attraktiv sind. Einfach indem wir ein buchbares Angebot schaffen, erfolgt eine gezielte Lenkung.
Es gibt viele solche Ansätze, wie man Tourismus und den lokalen Mobilitätsbedarf vereinbart. Der Vorteil von digitalen Ansätzen ist, dass sie oft am schonendsten für alle Beteiligten sind – solange man genau darüber nachdenkt, wie man sie ausgestalten kann.
Wie hängen Ihre Konzepte mit dem Projekt „Bayern Cloud Tourismus“ zusammen?
Die Bayern Cloud ist eine Datendrehscheibe für touristische Daten. Dort werden zum Beispiel Sensordaten und weitere relevante Daten bereitgestellt, um genau solche Probleme adressieren zu können, wie ich sie vorhin angesprochen habe. Dabei geht es auch immer darum, zu informieren. Die Bayern Cloud ist sozusagen ein Single Point of Truth für touristische Daten in Bayern. Natürlich landen auch die Daten unserer Projekte später auf der Bayern Cloud.
Wie kann man die Nutzung und Akzeptanz digitaler Technologien in der Bevölkerung steigern?
Allgemein muss man sagen: In diesem Bereich steckt das Thema Messen und Sensorik noch in den Kinderschuhen. Und die Sensorik ist auch noch unglaublich teuer. Das steht einem großflächigen Einsatz in Deutschland im Wege. Auf der anderen Seite braucht es auch die Menschen, die unsere Angebote wahrnehmen. Man kennt das ja von elektronischen Parkhausschildern: Es gibt immer mindestens einen, der nicht glaubt, dass alle Parkplätze belegt sind und trotzdem reinfährt. Dann hat der gerade auch noch Glück, weil in dem Moment einer rausfährt. Dadurch verstärkt sich auch noch das Bild, dass Schilder nicht stimmen … Oder nehmen Sie Urlauber aus der Region, die ihre Tour sowieso schon im Kopf haben und nicht unbedingt von einer digitalen Besucherlenkung beeinflusst werden. Das alles gehört zum Thema Akzeptanz. Bis solche Maßnahmen in der Breite akzeptiert werden und Wirkung entfalten, wird noch Zeit vergehen.
Was hilft ist Reden, Reden, Reden. Wir haben zum Beispiel mittlerweile eine Community of Practice ins Leben gerufen, um mit den Ansprechpartnern aus den Projekten die Themen gebündelt zu besprechen und Wissen zu teilen. Und auf Tourismusveranstaltungen werben wir für die Akzeptanz dieser Maßnahmen und zeigen, dass viele Dinge und Projekte passieren – und dass diese aber auch nicht unbedingt Schnellläufer sind. Genauso wichtig ist aber auch Zuhören: Wenn sich Leute beschweren, gibt es immer einen Grund dafür – dann muss man gemeinsam nach Lösungen suchen.