Foto: Henrik Nürnberger/ aconium GmbH

Neue Formate des Dialogs zwischen Bürger:innen und Stadtverwaltung sowie die Gestaltung multifunktionaler Begegnungsorte in kleinstädtischen Zentren – dies sind zwei Schwerpunkte des Modellvorhabens „Innenstadt (be)leben!“. Das Projekt ist Teil der Pilotphase der Kleinstadtakademie vom BMWSB und BBSR, welche Kommunen künftig eine Plattform zum Erfahrungsaustausch und zur gemeinsamen Ideenfindung für die Stadtentwicklung bieten soll.

Seit Ende 2020 arbeiten die vier Kleinstädte Zwönitz (Sachsen), Bönen (Nordrhein-Westfalen), Demmin (Mecklenburg-Vorpommern) und Münnerstadt (Bayern) gemeinsam im Projekt „Innenstadt (be)leben!“ zusammen. Der Verbund ist eines von sechs Modellvorhaben der Pilotphase der Kleinstadtakademie, in der Handlungsansätze für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung erarbeitet werden. Die aconium unterstützt die Projektumsetzung in den vier Modellkommunen.

Das Deutsche Institut für Urbanistik begleitet das Modellvorhaben wissenschaftlich und liefert Erkenntnisse für die Institutionalisierung der Kleinstadtakademie, die in den kommenden Jahres eine neue Lern- und Autauschplattform bieten soll. Federführend dafür ist das Bundesministerium Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) sowie das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), die auch die Pilotphase im Programm „Experimenteller Wohnungs- und Städtebau“ (ExWoSt) fördern.

Den Ausgangspunkt des Modellvorhabens „Innenstadt (be)leben!“ bildeten „Interkollegiale Coachings“, die Vertreter:innen der teilnehmenden Kleinstädte die Möglichkeit boten, von den Perspektiven der Amtskolleg:innen anderer Kommunen zu lernen. Hier entwickelte Ideen und Ansätze zur Innenstadtbelebung – so der thematische Fokus des Modellvorhabens – werden derzeit in den jeweiligen Kleinstädten umgesetzt. Die Gestaltung von Maßnahmen zur Innenstadtentwicklung – etwa um Leerstände zu beheben, neue Angebote zu schaffen oder den Stadtraum attraktiver zu gestalten – steht dabei im Mittelpunkt. So trägt das Projekt einen experimentellen Charakter und eröffnet den Kommunen Spielräume, auch unkonventionelle Ansätze und Formate zur Stadtentwicklung auszuprobieren.

Bürger:innen gestalten ihre Innenstadt

Ein wiederkehrender Ansatz, der in der Pilotphase Kleinstadtakademie im Mittelpunkt steht, ist die Schaffung von Formaten zur Einbindung von Bürger:innen in die Innenstadtentwicklung. So hat etwa die Gemeinde Bönen die partizipative Erstellung einer langfristigen Kommunikationsstrategie gestartet. Unter dem Titel „Mit(te)machen“ fanden in Bönen „Zukunftsspaziergänge“ mit verschiedenen Zielgruppen statt. Der Austausch wird durch regelmäßige Arbeitsgruppentreffen der „Mit(te)macher“ und einer begleitenden Online-Beteiligung weiter fortgesetzt.

Auch in der Hansestadt Demmin setzt die Verwaltung auf Stadtspaziergänge für verschiedene Gruppen wie Einzelhändler:innen oder Vereine. Im Juni 2022 startete der breit angelegte Diskurs, der nun in Bürger:innendialogen mündet. Auch der verstärkte Einsatz sozialer Medien oder Apps soll künftig die Kommunikation zwischen der Verwaltung und der Stadtgesellschaft verbessern und so auch die Identifikation mit der Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern fördern.

Multifunktionale Begegnungsräume schaffen

Welche Perspektiven unterschiedliche Gruppen auf die Innenstadt haben, wurde im November bei einem Szenario-Workshop 2022 in der Bergstadt Zwönitz ermittelt. Viele Zwönitzer bekräftigten hier den Wunsch, nach nicht-kommerziellen Begegnungsräume in der Innenstadt. „Zwar bleibt der Einzelhandel für Innenstädte auch künftig sehr wichtig. Allerdings setzt sich die Erkenntnis durch, dass der Handel allein nicht das einzige tragende Element einer zukunftsfähigen Innenstadt sein kann“, sagt Henrik Nürnberger, Projektleiter der aconium GmbH.

Jüngst gründete sich dafür der Verein „Zwönitz miteinander“, welcher als Träger für Projekte fungieren soll, um eine Immobilie im Stadtzentrum mit Leben zu füllen. Das Ziel: Frühere und heute schmerzlich vermisste Angebote wie das „Musik Café“ oder Kino-Abende sollen hier wieder möglich werden. Gleichzeitig soll damit ein Ort im Herzen der Kleinstadt geschaffen werden, in dem sich vor allem junge Menschen treffen und ihre Freizeit gestalten können, ohne gleich ihr Taschengeld dafür einsetzen zu müssen.

Um neue Begegnungsräume geht es auch im fränkischen Münnerstadt: In einem zum Teil leerstehenden Haus direkt am Markt – genannt „M 17“ – sollen Vereine einen neuen Treffpunkt erhalten. Auch das Thema Co-Working soll im „M 17“ eine Rolle spielen. Dazu befindet sich Münnerstadt im Austausch mit Kommunen anderer Modellvorhaben der Pilotphase, die sich näher mit „Neuen Arbeitswelten“ für Kleinstädte befassen.

„Beide Beispiele zeigen, dass Kleinstädte multifunktionale Nutzungskonzepte für kommunale Einrichtungen brauchen – einerseits um die vielfältigen Bedarfe der Stadtgesellschaft zu adressieren und andererseits um die Unterhaltung von Liegenschaften auf ein tragfähiges Fundament stellen zu können“, sagt Henrik Nürnberger. „Hierfür sind besonders für kleine Kommunen passende Konzepte nötig, die sich von denen in Großstädten unterscheiden müssen.“ Genau dafür soll die künftige Kleinstadtakademie erfolgversprechende Ansätze und Erfahrungswerte bündeln und für Kleinstädte mit ähnlichen Herausforderungen bereitstellen.

Erkenntnisgewinne für eine zukunftsfähige Kleinstadtentwicklung

Nach zweieinhalb Jahren läuft die Pilotphase Ende März 2023 aus. Gewonnene Erkenntnisse zur Stadtentwicklung sowie Handlungsempfehlungen – zum Beispiel auch wie künftige Angebote der Kleinstadtakademie gestaltet sein können – werden abschließend in einem Bericht aufbereitet. Im Rahmen eines Projektpartner:innen-Treffens am 19. Januar 2023, welches in der aconium Akademie stattfindet, wird zudem Thema sein, wie die in den Kleinstädten angeschobenen Formate und Maßnahmen verstetigt werden können. Einen Überblick zur gesamten Pilotphase der Kleinstadtakademie bietet der im Juli 2022 veröffentlichte Tätigkeitsbericht.