Es klingt wie ein Widerspruch, dass der Ausbau digitaler Infrastrukturen wie Glasfaser- und 5G-Netze einen positiven Effekt für das Erreichen der Klimaziele haben kann. Schließlich benötigen digitale Komponenten und Geräte Strom und auch der Infrastrukturausbau bindet nicht unerhebliche Ressourcen.

Doch intelligent gedachte Kommunikationsnetze und smarte Lösungen bergen gleichzeitig enormes Potential, denn vor allem der Betrieb neuer Infrastruktur benötigt weniger Energie. Wichtig ist, das Thema Nachhaltigkeit in den Blick zu nehmen, denn digitale Infrastrukturen sind alternativlos: Aktuell verdoppelt sich alle zwei Jahre die Datenmenge im Mobilfunknetz. Laut statista.de sollen 2022 im stationären Breitband-Internetverkehr in Deutschland 122 Milliarden Gigabyte bewegt worden sein. Das entspricht einer Steigerung um 20,8 Prozent zum Vorjahr. Die Prognosen sprechen von einem weiter schnell zunehmenden Bedarf. Fakt ist: Der grundlegende digitale Wandel der Gesellschaft ist im vollen Gange und die elektronischen Kommunikationsnetze selbst müssen energie- und ressourceneffizienter werden, um die Klimaziele zu erreichen.

Deutschland hat sich vorgenommen, im Jahr 2030 etwa 65 Prozent weniger Treibhausgase als 1990 auszustoßen. Bis 2040 müssen die Treibhausgase um 88 Prozent gemindert und bis 2045 die Treibhausgasneutralität verbindlich erreicht werden. Die Digitalisierung soll dabei helfen. Laut einer Bitkom-Studie aus dem Mai 2022 sehen die befragten Unternehmen bereits die Klimaeffekte von Digitalisierungsmaßnahmen. Bei 77 Prozent ist der CO2-Ausstoß durch den Einsatz von Technologien und Anwendungen insgesamt gesunken. Hier hilft zum Beispiel die Vernetzung von Geräten und Maschinen über das Internet die Energieeffizienz zu steigern, u.a. weil der Verbrauch sehr viel direkter erkennbar und steuerbar ist. Allerdings verschiebt sich der Energiebedarf immer mehr von den Endgeräten hin zu den Servern. Zwar ist vor allem der Betrieb von Servern, Speichern und Anwendungen in einem großen Rechenzentrum in der Regel effizienter als der Betrieb dieser Infrastruktur vor Ort in jedem einzelnen Unternehmen. Allerdings nimmt mit der Zahl, Größe und Auslastung der Rechenzentren auch deren Energiebedarf zu. Die deutschen Zentren verbrauchten im Jahr 2021 knapp 17 Terawattstunden – mehr als alle Endverbraucher in der Hauptstadt. Und es werden immer mehr Serverparks gebaut. Allein in Berlin sind vier neue Rechenzentren geplant. Global gesehen liegt der Strombedarf des Internets im Ranking aller Länder auf Platz sechs, knapp vor Kanada.

Zusammengefasst bedeutet das: Digitale Technologien, Vernetzung und Infrastrukturen sind für die Umweltpolitik also Herausforderung und Chance zugleich.

Tim Brauckmüller, Geschäftsführer aconium, nahm im Rahmen der Messe „Connected Germany“ an dem Panel „Digitale Infrastrukturen und Deutschlands nachhaltige Zukunft“ teil und gab einen Einblick, wie nachhaltig digitale Infrastrukturen sein können. Gemeinsam mit Alexander Rabe, Managing Director, eco-Verband der Internetwirtschaft und Therese Seiringer, Head of Sustainability, Vodafone, diskutierte er die Möglichkeiten, wie digitale Infrastrukturen grüner und nachhaltiger werden können. Er wies darauf hin, dass hier noch viel ungeborgenes Potential liegt: „Digitale Infrastrukturen und Nachhaltigkeit müssen noch viel mehr zusammen gedacht werden. Das betrifft auch die Regulierung, bei der es zum Beispiel viele unterschiedliche EU-Richtlinien in mehreren Sektoren gibt. Hier muss ein intersektorales Denken beginnen. So sollte man sich auf Mindeststandards einigen und unter anderem gemeinsame Schnittstellen standardisieren.“ Einsparungsmöglichkeiten sieht Brauckmüller im öffentlichen Bereich: „Wir werden im kommunalen Sektor durch die Etablierung von 5G-Netzen viele ÖPNV-Projekte sehen, bei denen signifikant Energie eingespart wird. Aber auch hier müssen wir die gesamte Wertschöpfungskette betrachten und dabei bedenken, dass nachhaltige Investitionen am Anfang oft höher sein können als nur kurzfristige, nicht nachhaltige Ausgaben.“ Aber auch ganz praktische Ansätze, zum Beispiel die Abwärmenutzung von Rechenzentren und das lokale Entsorgen von Ausbauresten beim Glasfaserausbau, können laut dem aconium Geschäftsführer schon einen kleinen Beitrag zur Umwelt sein. Digitale Infrastruktur und Rechenzentren werden aus energetischer Sicht zukünftig sicherlich stärker kontrolliert und es wird auch vom Staat Regulierungen geben, deren Effizienz zu erhöhen. Dazu gehören Pläne, durch eine einheitliche statistische Erfassung von Rechenzentren die Voraussetzung für die Erstellung eines Katasters und so die Grundlage für eine wirksame Sektorkopplung (z. B. kommunale Wärmeplanung) zu erreichen. Erste Kennzahlen, mit denen die Energie- und Ressourceneffizienz eines Rechenzentrums beurteilt werden kann, wurden bereits im Projekt KPI4DCE des Umweltbundesamtes ermittelt. Zudem werden Kommunen im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative gefördert, um die Effizienz von Rechenzentren zu verbessern.

Einsparpotentiale allerorten, von der Privatwirtschaft bis hin zum kommunalen Sektor

Auch die Privatwirtschaft hat dieses Thema schon für sich entdeckt. In Luleå, in Nordschweden, ist die Abwärmenutzung von Rechenzentren schon Realität. Hier ist ein von fossilen Brennstoffen freies Fernwärme- und Fernkältenetz in Betrieb, das in Verbindung mit einem brennstoffzellenbetriebenen Rechenzentrum funktioniert, in dem Abwärme zurückgewonnen wird. Auch in Deutschland gibt es erste Pilotprojekte, zum Beispiel in Frankfurt/Main. Im Jahr 2023 will der Frankfurter Energieversorger Mainova AG und der Rechenzentrumsbetreiber Telehouse Deutschland GmbH mit einem Wärmekonzept im Wohnquartier „Westville“ starten. Dann werden rund 1.300 Neubauwohnungen sowie Gewerbeeinheiten im Gallusviertel mit einem Jahresbedarf von 4.000 Megawattstunden (MWh) zu mindestens 60 Prozent aus der Abwärme des benachbarten Rechenzentrums versorgt. Mit der Wärme, die in den Serverfarmen entsteht, können dann 3.000 Menschen ihre Wohnungen heizen. Die Kombination aus der sonst ungenutzten Abwärme des Rechenzentrums sowie der Fernwärme zur Abdeckung von Spitzenlasten spart im Vergleich zu konventioneller Wärmeerzeugung 400 Tonnen CO2 im Jahr ein.

Noch machen die Unternehmen dies freiwillig. Doch ein Nachhaltigkeitssiegel oder Energieausweise für Rechenzentren sowie ein CO2-Label für Online-Dienste könnten dazu beitragen, die Firmen in Sachen Klimaschutz mehr in die Pflicht zu nehmen. Beim Einsparen ist wiederum die digitale Infrastruktur wichtig. Der Datenfluss über das alte 3G-Mobilfunknetz verbraucht rund 45 Mal mehr CO2 als per Glasfaserkabel – ein weiteres Argument für einen raschen Ausbau von Glasfaser-Anschlüssen. Eine Studie kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass 15 Prozent der Klimaziele durch 5G schneller erreicht werden – durch die effizientere Nutzung von Energie. Der Einsatz der einzelnen Komponenten an sich verbraucht schon weniger Energie als frühere Mobilfunktechnologien.

Dieses Wissen muss kontinuierlich zu den entscheidenden Personen getragen werden. Viele Unternehmen und Mitarbeitende im öffentlichen Sektor wünschen sich bessere und mehr Beratungsangebote, wie digitale Technologien für mehr Nachhaltigkeit genutzt werden können. Selbst wenn die Informationen vorhanden sind, bleibt es oft ein schwieriges, individuelles Abwägen. Videokonferenzen reduzieren zum Beispiel ökologische Umweltbelastungen, die ansonsten durch Reisen entstanden wären. Auf der anderen Seite wird von vielen Mitarbeitenden der direkte Kontakt zu Kund:innen und Kolleg:innen gewünscht. Sinnvolle Entscheidungen bedürfen aber korrekter und aktueller Daten. Schon jetzt müssen große Unternehmen ihre Klimazahlen melden, im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die EU plant ab 2024 noch mehr Unternehmen als bisher dazu zu verpflichten. Dann müssen europaweit 49.000 Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht über nichtfinanzielle Informationen offenlegen. Dazu zählen neben den Umweltaspekten auch Sozial- und Arbeitnehmerbelange, Achtung der Menschenrechte sowie Bekämpfung von Korruption und Bestechung. Aber nicht nur in der Privatwirtschaft werden sich Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein immer mehr verankern.

Bei öffentlichen Ausschreibungen werden auch verstärkt Umweltanforderungen als technische Spezifikationen in die Leistungsbeschreibung einfließen. Nachhaltige, digitale Lösungen werden zukünftig in vielen Städten und Gemeinden nachgefragt. Zahlreiche Anwendungsfälle entstehen im Rahmen von Förderprogrammen und Modellprojekten auf kommunaler Ebene und könnten dann, wenn sie funktionieren und wirtschaftlich tragfähig sind, auf andere Kommunen übertragen werden. Auch hier versteht sich die aconium GmbH als Partner der kommunalen Hand und blickt auf einen großen Erfahrungsschatz, unter anderem beim Organisieren und Betreuen von Netzwerken, Plattformen und anderen innovativen Ansätzen für Wissenstransfer und -austausch.