In der VISION 2022 hat sich die Wartburgstadt Eisenach zum Ziel gesetzt, die digitale Infrastruktur auszubauen, um das „schnellste Oberzentrum Deutschlands“ zu werden. Erreicht werden soll dies mit einem Betreibermodell, das einige Besonderheiten aufweist und als Pilotprojekt in Thüringen und darüber hinaus gelten kann.

Eisenach liegt im Tal der Hörsel am nordwestlichen Rand des Thüringer Waldes zwischen Hörselbergen und Werrabergland. Das Stadtgebiet ist entsprechend hügelig und erstreckt sich von 196 Metern bis auf 400 Meter über dem Meeresspiegel. Berühmt ist Eisenach nicht nur für die Wartburg, auf der Martin Luther 1521 das Neue Testament ins Deutsche übersetzte, oder für den Komponisten Johann Sebastian Bach, der 1685 dort geboren wurde, sondern auch als traditionsreicher Industriestandort.

Insbesondere der Automobilbau spielt in der Wartburgstadt seit mehr als 100 Jahren eine prägende Rolle. Seit Gründung der Fahrzeugfabrik Eisenach A. G. 1896 gilt Eisenach als einer der bedeutendsten Produktionsstandorte für Automobile und Zulieferindustrien in Deutschland. Nicht zuletzt deshalb ist die Region derzeit die wirtschaftsstärkste Thüringens. Fast ein Fünftel der gesamten Industrieproduktion des Bundeslandes kommen aus Eisenach und Umgebung. Größter Arbeitgeber der Region ist auch in der Gegenwart ein großer Automobilhersteller.

Die Konzentration auf den Automobilbau und die daraus resultierende Monostruktur ist jedoch angesichts des digitalen Wandels mit Herausforderungen verbunden. Um sich zukunftsfähig auszurichten, müssen traditionelle Industrieregionen wie Eisenach die digitale Infrastruktur ausbauen.

„Es muss der Stadt gelingen, sich breiter aufzustellen, um der im Wandel befindlichen Automobilindustrie und dem sich verändernden Mobilitätsverhalten wirksamer als bisher zu begegnen. Deshalb müssen wir die notwendigen zukunftsfähigen infrastrukturellen Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Stadt Eisenach alle Vorzüge der Wettbewerbsfähigkeit für die schnelle Transformation tausender Arbeitsplätze ausschöpfen kann“, so Jens Hartlep, Abteilungsleiter Wirtschaftsförderung und Nachhaltigkeit der Stadt Eisenach.

Hartlep ist Projektleiter des Breitbandbetreibermodells Eisenach, mit dem die Stadt den Ausbau digitaler Infrastruktur vorantreibt. Schon während der Planungsphase war das Bundesförderprogramm Breitband wichtiger Bestandteil des Ausbauprojektes. Die Stadt Eisenach hatte erfolgreich am 4. Aufruf des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zur Förderung von Breitband-Infrastrukturprojekten teilgenommen. Nach Abstimmung mit dem Thüringer Breitbandkompetenzzentrum und mit Blick auf die besonderen regionalen Gegebenheiten und Anforderungen reifte unter Einbezug einer Wirtschaftlichkeitsanalyse durch einen externen Dienstleister in der Stadt der Plan, die vorhandenen ‚weißen Flecken‘ mit Hilfe eines Betreibermodells zu beseitigen. Dadurch kann – so die Idee – die notwendige Nachhaltigkeit für die Region und deren Entwicklung gewährleistet werden.

Das Besondere: Eisenach wird die wohl erste Stadt in Deutschland, in der der Betrieb des Breitbandnetzes bei einem Betreiber von Bädern angesiedelt ist.

Hintergrund: Betreiber des Netzes wird die Sportbad Eisenach GmbH (SEG), deren Geschäftsführer Jens Hartlep ist. Die SEG ist eine hundertprozentige Tochter der Stadt Eisenach und betreibt das Freizeit- und Sportbad aquaplex an der Hörsel. Darüber hinaus ist die SEG mit 51 Prozent an der Eisenacher Versorgungs-Betriebe GmbH (evb) beteiligt, die sich unter anderem auch stark für E-Mobilität in der Region einsetzt. In dieser Funktion betreibt die SEG Blockheizkraftwerke für die Energieversorgung. Erfahrung in der Grundversorgung von Bürgern ist bei der SEG also vorhanden. Seit 2017 widmet sich das Unternehmen nun dem Thema Breitband. Ziele sind die Errichtung und das Halten eines Breitbandglasfasernetzes (FTTB, Fibre to the Building) als infrastrukturelle Aufgabe für die Stadt Eisenach.

„Das Betreibermodell bietet alle Vorzüge für eine nachhaltige, regionale, bei der Gebietskörperschaft angesiedelte funktionsgerechte Breitbandausbaustrategie aus einem Guss, da die Glasfasernetze im kommunalen Anlagevermögen verbleiben und somit schnelle Entscheidungswege ermöglichen“, erklärt Hartlep.

Das Eisenacher Betreibermodell genießt in Thüringen Pilotprojekt-Charakter als das erste seiner Art überhaupt. Die Übertragung des von der städtischen Wirtschaftsförderung maßgeblich vorangetriebenen Projektes auf die eigentumsführende Gesellschaft SEG erfolgte aus unterschiedlichen Gründen: „Da die evb selbst keine hundertprozentige Tochter der Stadt Eisenach ist, kam sie als eigentumsführende Gesellschaft nicht in Betracht. Insofern war die Abbildung in der SEG nur konsequent“, erklärt Hartlep. Die SEG nutzt nun das in der evb bestehende Know-how für den Breitbandausbau. Dies betrifft unter anderem kaufmännische Abläufe wie Grundstücksanschlüsse, Netzdokumentation, Versicherung und strategische Netzplanung.

Ziele der SEG sind die Errichtung und Verpachtung des Glasfasernetzes, dessen schrittweise Inbetriebnahme bis Ende 2019 sowie der weitere Ausbau des Gigabitnetzes im gesamten Stadtgebiet.

Ein großer Vorteil der Konstruktion für die Umsetzung des Projektes ist „die schnittmengenfreie Bearbeitung des Breitbandprojektes zwischen Wirtschaftsförderung und SEG, da der Projektleiter im Nebenamt auch die Geschäfte des Bades führt“, so Hartlep.

Nach Fertigstellung der passiven Infrastruktur ist die Verpachtung an einen Netzbetreiber geplant. Dann rechnet die Stadt innerhalb von sechs bis sieben Jahren mit einer Refinanzierung des für den Ausbau aufgewendeten Eigenanteils. Die Umsetzung des Breitbandausbaus mittels des Betreibermodells sichert damit die Versorgung der Eisenacher Bürger.

Mit der Kombination aus zentraler geographischer Lage innerhalb Deutschlands, den Vorzügen moderner, schneller Verkehrsachsen in die Ballungszentren und einem flächendeckenden städtischen Gigabitnetz soll in Eisenach der Nährboden für eine erfolgreiche Ansiedlung von Kreativwirtschaft und Startups als Gegengewicht zur bisherigen industriellen Monostruktur geschaffen werden.

„Dabei wollen wir unsere Vorzüge voll ausschöpfen und schneller als konkurrierende Regionen vorankommen“, betont Hartlep.


Foto oben: Blick auf die Opelwerke in Eisenach
Fotocredit: GIS Eisenach GmbH
Fotos unten: Blick auf die Opelwerke in Eisenach (Fotocredit: GIS Eisenach GmbH), Das Freizeit- und Sportbad aquaplex in Eisenach (Fotocredit: Sportbad Eisenach GmbH), Die Wartburg (Fotocredit: Stadt Eisenach)