Als Zentrum der Schneidwarenindustrie genießt Solingen einen exzellenten Ruf. Etwa 90 Prozent der deutschen Schneidwaren- und Besteckbranche sind in der nordrhein-westfälischen Stadt ansässig, insbesondere bei der Herstellung von Klingen sind Unternehmen aus Solingen weltweit führend. Nicht umsonst gibt sich die kreisfreie Stadt offiziell den Beinamen „Klingenstadt“.
Diese mehrere hundert Jahre alte Tradition möchte man keineswegs aufgeben, gleichzeitig gibt es Pläne zu einer Digitalisierungsstrategie, die den Weg Solingens zur Smart City ebnen soll. Aus diesem Grund veranstaltete das Rathaus Solingen mit Oberbürgermeister Tim Kurzbach am 17. April 2018 ein Digitalisierungs-Symposium, auf dem vor mehr als 300 Teilnehmern aus Wirtschaft, Verwaltung, Politik und Bürgerschaft als eines der Ziele formuliert wurde, dass Solingen bürgerfreundlicher werden solle.
Ein erster Schritt auf diesem Weg ist eine App, die Behördengänge für die Bürger Solingens erleichtern soll. Die sich momentan in der Entwicklung befindliche „Solingen-App“ unterstützt beispielsweise beim Ausfüllen von Formularen und informiert über städtische Dienste wie den Busverkehr oder die Müllabfuhr. Dabei ermöglicht sie es, die städtischen Online-Angebote bequem in einem Chat aufzurufen, ohne sich zuerst durch eine Menüstruktur klicken zu müssen.
Eine weitere auf dem Symposium vorgestellte App ist bereits in Benutzung. Mit der App „between the lines“ können Jugendliche herausfinden, an wen sie sich wenden können, wenn sie in Notsituationen geraten und Hilfe benötigen oder sich Belastungen nicht mehr gewachsen fühlen. Ursprünglich als Solinger Projekt gestartet, erhält die App inzwischen bundesweit Aufmerksamkeit, wird von zahlreichen Hilfsorganisationen unterstützt und in verschiedenen Städten genutzt.
Steht bei den Apps vor allem der Bürger als Adressat im Mittelpunkt, spielt innerhalb Solingens Digitalisierungsplänen auch die Wirtschaft eine wichtige Rolle. So soll etwa der lokale Einzelhandel in Anbetracht der Konkurrenz von Online-Shops gestärkt werden. „Der Solinger Einzelhandel muss zusammenrücken“, sagt der Vorsitzende des Initiativkreises Solingen, Jan Höttges. Deshalb entwickeln Stadt und Händlerverbund gemeinsam eine Online-Plattform, die alle Solinger Händler miteinander verbindet. Gleichzeitig wird auch der touristische Aspekt berücksichtigt, sodass Informationen zu Kultur, Hotels, Restaurants und Veranstaltungen dort zu finden sind. Höttges zufolge bremsen Verwaltungsabläufe oft unternehmerisches Handeln, weshalb er die Digitalisierungsstrategie der Stadt begrüßt und überzeugt ist: „Mit der zunehmenden Digitalisierung wird sich der Alltag in der Stadt stark verändern. Das Leben wird vielfältiger und angenehmer.“
Notwendige Grundlage für die Bestrebungen Solingens zu einer Smart City ist allerdings eine leistungsstarke digitale Infrastruktur. Zu dem dafür betriebenen Breitbandausbau äußerte sich Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach auf dem Digitalisierungs-Symposium: „Die Kombination aus gefördertem Ausbau in unterversorgten Gebieten, eigenwirtschaftlichem Ausbau für Gewerbebetriebe und die Anbindung aller Schulen mit Glasfaseranschlüssen durch die Stadt selbst bringt uns einen deutlichen Schritt weiter in Richtung Gigabit-Gesellschaft. Das Ziel bleibt der Zugang für alle Haushalte und Unternehmen zu Gigabit-Netzen bis 2025.“
Um dieses Ziel zu erreichen, wird der Breitbandausbau der Stadt Solingen zur Deckung einer Wirtschaftlichkeitslücke durch das Bundesförderprogramm Breitband des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) mit über 7,7 Millionen Euro gefördert. Die gleiche Summe erhält die Klingenstadt auch vom Land Nordrhein-Westfalen.
Damit sollen bis Ende des Jahres 2018 über 3.800 Haushalte von Übertragungsgeschwindigkeiten von mindestens 50 Mbit/s sowie 150 Unternehmen von 1 Gbit/s und höher profitieren können. Durch den Breitbandausbau können alle derzeit am Markt verfügbaren sowie in den nächsten Jahren absehbaren Anwendungen, etwa hochbitratige Videostreams, gesichert genutzt werden. Für die Zukunft stellt die Versorgung mit hohen symmetrischen Bandbreiten einen wichtigen Standortfaktor für Unternehmen dar, wodurch der Wirtschaftsstandort Solingen gestärkt und einer Abwanderung der Gewerbetreibenden in alternative Gebiete entgegengewirkt werden soll.
Die durch das Bundesförderprogramm Breitband ermöglichte Stärkung der unterversorgten Gebiete in Solingen durch leistungsfähige digitale Infrastruktur wird auch zur Folge haben, dass bereits in den Zentren bestehende verkehrstechnische Systeme weiter ausgebaut werden können und den Einwohnern auch außerhalb der Zentren zur Verfügung stehen. Dies betrifft zunächst die glasfaserbasierte Steuerung der Verkehrszeichenanlagen, die dann bis in die Außenbereiche ausgeweitet und optimiert werden kann. Damit wird es möglich sein, den Verkehrsfluss aus den Wohnstandorten in den Randlagen hinein in die innerstädtischen Bereiche weiter zu optimieren.
Auch das Fahrgastinformationssystem der Stadtwerke Solingen kann durch eine leistungsstarke digitale Infrastruktur bis in die Randlagen ausgeweitet werden. Seit 2013 wird das Fahrgastinformationssystem stetig erweitert. Eine Ausweitung in die Randlagen war bisher wegen fehlender Netzzugänge schwierig. Mit dem Versorgungsnetz werden zukünftig dynamische Informationstafeln entlang kompletter Linienführungen möglich sein.
Die Grundlagen auf dem Weg zur Smart City Solingen sind also gelegt. Doch ebenso wichtig für die Region ist es, dass Wuppertal und das Bergische Land den Zuschlag als digitale Modellregion erhalten haben. Dies eröffnet dem Städtedreieck Solingen, Wuppertal und Remscheid Handlungsoptionen auf der Ebene von Forschungsvorhaben. Für Kommunen und ihre Betriebe bedeutet der Status einer digitalen Modellregion zudem enorme Vorteile in der Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen und damit einen erheblichen Gewinn im Standortwettbewerb.
Fotos: Impressionen vom Digitalisierungs-Symposium am 17.04.2018 in Solingen.
Fotocredits: Klingenstadt Solingen