© aconium / Florian Schuh, Gruppenfoto der Referenten und Organisatoren des Governmental Day Workshop 2019, Amsterdam, 12.03.2019.

Am 12. März 2019 hat der „Governmental Day“ Workshop in Amsterdam stattgefunden. Gemeinsam mit dem FTTH Council Europe organisierte die aconium GmbH das Veranstaltungsformat bereits zum fünften Mal. Im Rahmen der FTTH Konferenz tauschten sich Akteure der europäischen Breitbandpolitik und Vertreter von Kommunen und Regionen aus. Insbesondere ging es um die Herausforderungen und Perspektiven der Digitalisierung in ländlicher Regionen. Strategien zur Erreichung der Gigabitgesellschaft, Förderangebote der EU, konkrete lokale Initiativen für den Breitbandausbau und überregionale Projekte – darunter das aconium-Projekt CORA zur Förderung digitaler Infrastrukturen und Dienstleistungen in ländlichen Gebieten – standen im Mittelpunkt. Ein Fazit: Die Bürger müssen eingebunden und bürgerschaftliches Engagement auf lokaler Ebene muss unterstützt werden, um die digitale Transformation zu meistern.

Peyman Khodabakhsh (Projektmanager CORA, aconium) begrüßte etwa 150 Teilnehmer mit einem Überblick zum Stand der Breitbandabdeckung in Europa. Er verdeutlichte die Herausforderungen für die digitale Entwicklung des ländlichen Raums an einigen Zahlen: So haben 30 Prozent der Bewohner ländlicher Regionen Europas keinerlei digitale Kompetenzen. Gleichzeitig existiert nach wie vor eine Diskrepanz zwischen Netzverfügbarkeit und Netznutzung: 60 Prozent der europäischen Haushalte haben bereits schnelle Netzzugänge (100 Mbit/s oder höher), aber nur 15 Prozent nutzten diese wirklich.

Europäische Breitbandpolitik und Beispiele

Alexandra Rotileanu, Europäische Kommission, DG Connect, eröffnete den Vortragsteil mit einem Politik-Update. Sie erläuterte die Breitbandstrategie der Europäischen Kommission und betonte die drei bis 2025 zu erreichenden Gigabit-Ziele:

  • Netzanbindungen mit Gigabit-Geschwindigkeit für sozioökonomische Treiber wie Schulen, Gewerbegebiete, Forschungseinrichtungen und Krankenhäuser,
  • Ununterbrochene 5G-Verfügbarkeit entlang wichtiger Verkehrsinfrastrukturen (Straßen, Eisenbahn)
  • Internetanschlüsse mit Datenübertragungsraten von mindestens 100 Mbit/s für alle europäischen Haushalte

Sie betonte die finanzielle Unterstützung des Breitbandsektors durch den derzeitigen mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) und erläuterte insbesondere den Telekom-Bereich im Rahmen der Connecting Europe Facility (CEF), zu dem auch der Connecting Europe Broadband Fund (CEBF) und die Initiative WiFi4EU gehören. Mit dem neuen MFR 2021 bis 2027 werden dem Förderstrang CEF DIGITAL rund drei Milliarden Euro zugewiesen und beispielsweise Synergien mit Transport- und Energienetzen unterstützt, um die digitale Transformation zu ermöglichen. Zufrieden zeigte sich Rotileanu mit dem Erfolg des WiFi4EU-Programms: Die für die Installation und den Kauf von WLAN-Ausrüstung vorgesehenen Vouchers für europäische Kommunen waren bereits in der ersten Stunde nach Eröffnung des ersten Förderaufrufes ausgeschöpft. Der nächste Aufruf ist noch im Frühjahr 2019 zu erwarten.

Nach der Vorstellung erfolgreicher lokaler Ausbauprojekte in Wales und Schweden – beide unter den Gewinnern der European Broadband Awards 2018 – erläuterte Maija Ahokas vom finnischen Ministerium für Verkehr und Kommunikation die Bedeutung digitaler Infrastruktur für die Zukunft von Wirtschaft und Gesellschaft anhand des Beispiels Finnland. Jorge Infante Gonzalez (Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation, GEREK) erklärte die Vorgehensweise zur Feinabstimmung des Regulierungsrahmens für Märkte der elektronischen Kommunikation auf der Grundlage verschiedener geografischer Gebiete und Markt- und Wettbewerbsbedingungen. Der Co-Vorsitzende der Expertengruppe für Markt- und Wirtschaftsanalysen im GEREK führte aus, wie eine unabhängige, konsistente und qualitativ hochwertige Anwendung des europäischen Regulierungsrahmens zum Nutzen der europäischen Mitgliedstaaten gewährleistet werden kann. Christian Zieske (aconium) ging auf die Möglichkeiten der Nutzung von Daten für die Erstellung von Karten und die erfolgreiche Planung des Ausbaus digitaler Infrastruktur mit Hilfe von Geoinformations-Systemen (GIS) ein.

CORA – COnnecting Remote Areas with digital infrastructure

Schließlich stellten Peyman Khodabakhsh und Wouter Degadt (Leiedal) das Projekt CORA (COnnecting Remote Areas with digital infrastructure) vor. Das Projekt macht anhand des Dreiklangs von digitaler Infrastruktur, digitalen Diensten und digitalen Kompetenzen ländliche Regionen fit für die Zukunft. Die vorgestellten CORA-Pilotregionen verdeutlichten die Vielfalt der digitalen Transformation. Einige Beispiele:

  • In Leiedal (Belgien) ist ein intelligentes Gewerbegebiet mit „Open Access“-Glasfaser-Infrastruktur Teil des Projekts. Dort werden die mit Hilfe von Sensoren und Kameras erhobenen Daten unter anderem für die Messung der Luftqualität aber auch für die Gewährleistung der Sicherheit des Gewerbeparks genutzt.
  • Beim Projekt THINK an der Universität Lincoln (Großbritannien) geht es darum Menschen und Technologie sinnvoll zusammenzubringen, um Interesse zu wecken, Bildungsprozesse anzustoßen und so in der Region Lincolnshire Innovationen zu fördern.
  • In Syddjurs (Dänemark) ist ein digital ausgestatteter Bus Teil des Projektes. Er hilft gemeinsam mit vier Projektmitarbeitern dabei, Patienten und Familien das Thema Demenz näher zu bringen und den Umgang damit zu erleichtern.
  • Das Amt Hüttener Berge (Schleswig-Holstein) hat ein digitales Bürgerportal entwickelt, das die Kommunen der ländlichen Region nutzen. Das vielerorts angestrebte E-Government wird damit in der kleinen Gemeinde Realität.

Im Rahmen von CORA gibt es inzwischen ein E-Learning-Angebot, das Kommunen und Entscheider vor Ort digitale Infrastruktur, digitale Kompetenzen und digitale Dienste, deren Möglichkeiten und Umsetzung näher bringt.

Auch der Fokus des interaktiven Schlussteils des Workshops lag auf Ideen für die Einbindung lokaler Akteure und Bürger. An den drei Thementischen zu digitaler Infrastruktur, digitalen Dienste und digitalen Kompetenzen erörterten die Teilnehmer Maßnahmen, die zur Verbesserung und Förderung dieser Dimensionen beitragen. Fazit: Die verstärkte Einbindung der Akteure in den ländlichen Regionen ist essenziell, um die Digitalisierung flächendeckend voranzutreiben. Dabei müssen lokale und regionale Initiativen sowohl von nationalen Regierungen als auch von europäischer Seite unterstützt werden. Neben der digitalen Infrastruktur, die die Basis der Zukunftsfähigkeit Europas ist, sind auch die Anwendungen (digitale Dienste) und die Fähigkeiten (digitale Kompetenzen) der Bürger verstärkt in den Blick zu nehmen.

Hintergrund

Der fünfte „Governmental Day“ Workshop fand im Rahmen der FTTH Konferenz 2019 in Amsterdam statt. Die Präsentationen der Teilnehmer sowie weitere Fotos sind auf der Veranstaltungsseite einsehbar.

Mit 3 000 Teilnehmern aus fast 100 Ländern ist die FTTH-Konferenz weltweit der größte Treffpunkt für Breitband-Akteure. Auf 10 000 m2 zeigten Branchenführer, Experten und Entscheider Glasfaser-Technologien und diskutierten über IKT-Politik und die Finanzierung des Breitbandausbaus.