Foto: Susann Meyer, Bundessprecherin des Jungen Verbandes Bildung und Erziehung (Copyright: Fanny Topfstedt)

Die Digitalisierung in der Bildung hat in letzter Zeit enorm an Relevanz gewonnen. Virtuelle Lernangebote sind gefragter, denn je. Für den künftigen Unterricht bieten neue digitale Lernmethoden vielfältige Chancen und Potenziale. Ob die Ausbildung von Lehrkräften zeitgemäß ist, welche Entwicklungen die letzten Jahre geprägt haben und wie digitaler Unterricht die Inklusion von Schüler*innen fördern kann, erläutert uns Susann Meyer, Bundessprecherin des Jungen Verbandes Bildung und Erziehung im aconium-Interview „5 Antworten“.

aconium: Was macht einen zeitgemäßen digitalen Unterricht aus und wie digital ist die Lehrerausbildung in Deutschland bereits?
Susann Meyer: Für mich macht zeitgemäßen digitalen Unterricht viel mehr als nur das Bereitstellen von digitalen Arbeitsblättern aus. Dazu gehört auch, sich mit dem Kompetenzerwerb und den passenden Konzepten in der Bildung auseinander zu setzen. Dabei steht nicht nur die Weitergabe von digitalen Produkten im Vordergrund. Die verschiedenen Möglichkeiten, die nutzbar sind, müssen unbedingt in den Alltag des Unterrichts integriert und genutzt werden. Es findet noch immer zu oft ein Feuerwerk der Methoden statt, anstatt den Fokus auf das digitale Lebensbild der jungen Lernenden in Schule und an Universität zu legen. Denn insbesondere diese Altersgruppe lebt mehr denn je von einer Bildung in einer vernetzten Welt. Dabei verlagern sich Lernorte nicht nur innerhalb der derzeitigen Pandemie. Die internetfähigen Hotspots an Universitäten und die Möglichkeit an verschiedenen Orten zu lernen, sollte unbedingt im Lernalltag berücksichtigt werden.

Aber auch die Lehrkräfteausbildung bedarf in Bezug auf die Digitalisierung ein grundlegendes Überdenken. Ähnlich wie in Schulen, sollten auch hier Weiterbildungen für Dozenten und neue systemische Konzepte erstellt und umgesetzt werden. Denn das System Schule funktioniert nur so gut wie die, die es tragen.

aconium: Wie hat sich die Digitalisierung des Unterrichts in den letzten Jahren entwickelt?
Susann Meyer: Es gibt bereits seit Jahren Möglichkeiten, sich zu digitalen Tools weiterzubilden und in den Unterricht zu integrieren – wenngleich oft nicht entsprechend der existierenden Bedarfe. Aber dies wurde zunehmend breitgefächert angeboten und von Lehrkräften genutzt. Auch iPad-Klassen wurden installiert und an Schulen ausgebaut. Das Problem, welches aber immer wieder deutlich zu erkennen war und noch ist, sind die Unterschiede, die es von Bundesland zu Bundesland, Kommune zu Kommune und sogar von Schule zu Schule gibt. Dabei haben oft die finanziellen Möglichkeiten der einzelnen Gemeinden, Städte und Regionen die Mittel begrenzt. Hier braucht es dringend Nachbesserungen und einfache Förderkulissen, um auch verschiedene Herausforderungen vernetzt miteinander zu denken, wie individuelle Förderung und Digitalisierung.

Der Ruf nach mehr Digitalisierung wurde in den letzten Jahren immer lauter, doch der wahre Treiber ist erst die derzeitige Pandemie geworden. Der Digital Pakt Schule, der das Fortkommen in Schulen sichern soll, ist mit Forderungen und Wünschen besetzt. Doch darf dies nicht an der Anschaffung von Hardware enden.

Eine Variante des Fortschrittes, welchen man deutlich im Informatikunterricht spürt, ist die Nutzung von Programmierungssoftware für Kinder. Aber nicht nur der Informatikunterricht ist am Entwicklungsprozess beteiligt. In jedem Fach finden sich unzählige Möglichkeiten, den Bereich von sozialen Netzwerken einzubauen. Auch Lern-Apps, Umfragetools oder Lernplattformen haben mittlerweile Einzug in die Klassenzimmer gehalten. Diese Entwicklung ist erfreulich und sollte nicht am angeschafften Endgerät halt machen.

aconium: Wie können digitale Lernmaterialien und ein digitaler Unterricht die Inklusion und Integration von Kindern und Lehrern unterstützen? Was wird hier in Zukunft noch möglich sein?
Susann Meyer: Mit den richtigen Konzepten und einem Blick auf einfache Lernprogramme ist es auch im Inklusionsbereich, wie etwa der Förderung von Teilleistungsstörungen (Legasthenie oder Dyskalkulie) mehr denn je möglich, Schülerinnen und Schüler zu fördern. Dabei standen in der Vergangenheit oft nur Arbeitsmittel zur Verfügung, die dann von Lehrkräften differenziert aufgearbeitet werden mussten. An diese Stelle rückt heute zunehmend eine Welt an Instrumenten/Tools in den Vordergrund, die das Lernen und auch das Arbeiten von Lehrkräften erleichtern können. Dabei sind sogar zukünftig auch kleine Erfolge, wie differenzierte Programmierungen möglich, die Kinder und Jugendliche motivieren, am digitalen Leben und besser an schulischen Erfolgen teilzuhaben.

aconium: Wie sollte eine zukunftsgerichtete Lehrerausbildung im digitalen Zeitalter aussehen?
Susann Meyer: Die Lehrkräfteausbildung ist derzeit sehr wenig auf Digitalisierung ausgelegt. Auch hier gibt es aber mittlerweile einen gewissen Aufwind, der unbedingt beibehalten werden sollte. Die Lehrkräfteausbildung sollte sich unbedingt weiter verändern und intensiver an die digitalisierte Welt angepasst werden. Dazu gehören zum Beispiel die Studierenden, die noch immer in analogen Seminarräumen anwesend sein müssen. Besser wäre Optionen zu schaffen, die Studierenden an ihren Wohnorten mit entsprechendem Material und Zugängen zu Seminaren zu unterstützen. So könnten auch an Orten, die wenig Infrastruktur besitzen, Lehrkräfte gehalten werden. Ein wichtiger Baustein also zur Bekämpfung des teilweise schon jetzt akuten Lehrkräftemangels vor allem in den strukturschwachen Gegenden Deutschlands.

Aber nicht nur die Örtlichkeit des Lernens entscheidet über ein gutes Vorankommen im Studium. Insbesondere fehlt es derzeit an Praxisnähe und einer gesunden Sichtweise auf den aktuellen Unterricht. Auch hier sollten systemische Konzepte entwickelt werden, die auf eine ganzheitliche Sicht auf die Entwicklung von Lernenden und die Digitalisierung abzielen.

aconium: Wie stellen Sie sich den Unterricht der Zukunft vor?
Susann Meyer: Den Unterricht der Zukunft sehe ich für mich weiterhin in Präsenz. Wichtig bleibt die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden – und die wird nicht am Bildschirm gelegt, sondern kann dort nur gepflegt und vertieft werden. Für mich stehen gute Lernkonzepte im Vordergrund, die die zu erwerbenden und erworbenen Kompetenzen in den Vordergrund rücken.

Ein Unterricht der Zukunft ist für mich aber auch auf Lernplattformen lebbar. Denn auch hier kann für Schülerinnen und Schüler, die etwa aufgrund einer Verletzung o.ä. nicht die Schule besuchen können, ein Weg geschaffen werden, der es ihnen ermöglicht, Hausaufgaben online zur Kontrolle zu stellen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt für den zukunftsorientierten Unterricht ist ein umweltschonendes und ressourcensparendes Arbeiten. Während heute noch viel Papier für Arbeitsmittel, wie etwa Lehrbücher und Kopien, verbraucht wird, kann dabei zukünftig durch mehr Digitalisierung gespart werden.

Ein letzter Blick in die Zukunft eines guten Unterrichts ist die Anpassung an die Lebenswelt der Lernenden. Denn gerade hier wird nicht mehr auf die Enzyklopädie im Bücherregal geschaut, sondern viel weitreichender gedacht und gehandelt und das Internet zu Rate gezogen.

Wenn ein zukunftsorientierter Unterricht in sämtlichen Bildungsbereichen zu finden sein soll, dann darf nicht nur die technologische Komponente betrachtet, sondern muss auch die gesellschaftliche Entwicklung einbezogen werden. Erst dann kann auch ein zukunftsorientiertes Denken angestoßen und umgesetzt werden.