Foto: Vanessa Cann, Geschäftsführerin im KI Bundesverband e.V. (Copyright Tobias Koch)

Ob in der Verkehrssteuerung, Robotik oder Spracherkennung – Künstliche Intelligenz (KI) findet sich mittlerweile in vielen verschiedenen Anwendungsbereichen und ermöglicht, große Datensätze zu analysieren oder selbstlernende Programme zu entwickeln. Davon profitieren auch kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) aus ländlichen Regionen, die mit KI kostengünstiger und effizienter arbeiten können. Vanessa Cann, Geschäftsführerin im KI Bundesverband e.V., betont im aconium Interview „5 Antworten“ das langfristige Potential von KI für KMU und die infrastrukturellen Chancen von KI-Anwendungen in den Bereichen Gesundheit oder Mobilität im ländlichen Raum.

aconium: Die digitale Transformation mittels KI bietet besondere Chancen für Deutschland. Wie könnte das aus Ihrer Sicht auch ländliche Regionen stärken?
Vanessa Cann: Der ländliche Raum in Deutschland ist geprägt von starken KMUs, die derzeit vor einer großen Herausforderung stehen: Sie müssen die digitale Transformation meistern und Produkte wie Prozesse digital neu und effizienter denken.
Made in Germany – das war stets ein weltweit anerkanntes Qualitätsmerkmal. Das kann es auch in der digitalen Welt werden, wenn sich unsere KMUs durch den fokussierten Einsatz von Künstlicher Intelligenz neu erfinden.
Auch das Leben in ländlichen Räumen kann durch KI profitieren. Ein aktuelles Beispiel ist die Telemedizin oder auch automatische Diagnosen und Antworten bei medizinischen Fragen, die schnelle Hilfe versprechen – auch in Regionen, wo der Weg zum nächsten Facharzt etwas weiter ist.

aconium: In welchen Bereichen hat Künstliche Intelligenz bereits zur Weiterentwicklung von ländlichen Räumen beigetragen?
Vanessa Cann: Bislang kommt Künstliche Intelligenz in ländlichen Räumen leider kaum zum Einsatz. Ein flächendeckender Netzausbau kann hier neue Möglichkeiten schaffen.
Zum anderen nutzen Betriebe und Unternehmen im ländlichen Raum verfügbare KI-Technologien noch viel zu wenig. Derzeit sehe ich hier drei Hürden. Erstens fehlt schlicht das Wissen, welche Vorteile KI bringt. Daran scheitern die meisten. Zweitens wird nach einem Pilotprojekt oft kein Geld für langfristige Projekte bereitgestellt. Und drittens fehlen Talente und Fachkräfte in ländlichen Regionen, welche KI-Projekte für Firmen umsetzen und vorantreiben könnten.

aconium: Wie können gleichwertige Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land mithilfe von Künstlicher Intelligenz geschaffen werden?
Vanessa Cann: Insbesondere die Infrastrukturprobleme ländlicher Regionen können durch Künstliche Intelligenz behoben werden. Statt lange auf den Bus zu warten könnten sich Menschen durch bedarfsgerechte Angebote auf Knopfdruck von A nach B befördern lassen. Intelligente Routenplanung des Öffentlichen Nahverkehrs kann Standardrouten ersetzten, indem Mobilität immer dort angeboten wird, wo sie gerade auch benötigt wird.
Aber auch im Bereich der Gesundheit und Pflege gibt es viel Potential in Bezug auf Diagnose, Prognostik und Prävention, die etwa Arztbesuche reduzieren und dem Problem der schlechten ärztlichen Versorgung in ländlichen Räumen entgegenwirken können.

aconium: Welche Ideen und Visionen aus dem Bereich der KI haben aus Ihrer Sicht das meiste Potential, den ländlichen Raum zu stärken?
Vanessa Cann: Deutschland zeichnet sich durch viele „Hidden Champions“ aus – Mittelstandsunternehmen aus ländlichen Regionen, die in ihrer Nische Weltmarktführer sind. Viele KI-Unternehmen konzentrieren sich darauf, genau diesen KMUs dabei zu helfen, durch Digitalisierung und klugen KI-Einsatz auch im digitalen Zeitalter ein „Champion“ zu bleiben.
Noch nie war die Gefahr, durch Digitalisierung ins Hintertreffen zu geraten, so groß wie jetzt. Gleichzeitig war auch die Chance, durch KI den Rückstand schnellstmöglich aufzuholen, noch nie so groß wie jetzt.

aconium: Welche Wünsche haben Sie für optimale KI-basierte Anwendungen?
Vanessa Cann: Für eine funktionierende digitale Infrastruktur, auf Basis derer KI-Anwendungen flächendeckend nutzbar werden, ist der Breitbandausbau absolut elementar. Anderenfalls wird die Anwendung von KI-Produkten im ländlichen Raum nicht gelingen.
Gleichzeitig müssen Wissenslücken und Ängste abgebaut werden. Viele KMUs nutzen Chancen, durch KI große Effizienzgewinne und Kostengewinne zu erzielen, nicht, weil sie die Technologie und ihre Anwendungsmöglichkeiten nicht verstehen. Derzeit investiert bloß jedes siebte Unternehmen in KI-Projekte. Das ist zu wenig.
Und schließlich braucht es mehr Klarheit in Bezug auf den Datenschutz. Denn KI lebt davon, durch Daten zu lernen. Viele Daten bleiben derzeit ungenutzt, weil Unternehmen Angst haben ihre zu teilen. Damit schneiden wir uns ins eigene Fleisch, denn dann werden die Systeme in anderen Ländern entwickelt und trainiert und das wäre eine vertane Chance.