Auswahlverfahren

a) Allgemeine Grundsätze

Für den Fall, dass eine staatliche Maßnahme zur Förderung des Breitbandausbaus durchgeführt werden soll, ist der Beihilfeempfänger in einem wettbewerblichen Auswahlverfahren auszuwählen (vgl. Rn. 78 c) der EU-Beihilfeleitlinien).

Die Gestaltung des Auswahlverfahrens bzw. die Durchführung weiterer Auswahlverfahren sowie die konkrete Verfahrensart hängen maßgeblich von der Art des Fördergegenstandes entsprechend der anzuwendenden Förderrichtlinie bzw. dem beihilferechtlich genehmigten Rahmen ab (bspw. Gigabit-Rahmenregelung). Ein Auswahlverfahren zur Auswahl des Netzbetreibers (Telekommunikationsunternehmen) ist bei dem Wirtschaftlichkeitslückenmodell durchzuführen. Bei dem Betreibermodell sind Auswahlverfahren zum Netzaufbau (ggf. einschließlich der Bauplanung oder einem separaten Auswahlverfahren zur Planungsleistung) und zum Netzbetrieb getrennt voneinander durchzuführen.

Dabei müssen die Auswahlverfahren mit dem Geist und den Grundsätzen der EU-Vergaberichtlinie in Einklang stehen. Insbesondere sind die Grundsätze der Transparenz, der Gleichbehandlung bzw. Nichtdiskriminierung, der Verhältnismäßigkeit sowie des freien Wettbewerbs zu beachten, welche im Folgenden kurz dargestellt werden.

  • Das Transparenzgebot des europäischen Vergaberechts sieht vor allem umfassende Publizitätspflichten vor. Die Veröffentlichung des Auswahlverfahrens sowie des Ergebnisses (ggfs. der Ergebnisse) muss im Bundesförderprogramm auf der zentralen Online-Plattform www.projekttraeger-breitband.de (ggf. auch auf weiteren Plattformen/Medien) erfolgen (vgl. § 5 Abs. 2, Satz 2 Gigabit-RR). In der Bekanntmachung oder in den Unterlagen zum Auswahlverfahren hat der Auftraggeber vorab sämtliche (anbieter- und technologieneutral zu formulierenden) Auswahlkriterien samt Gewichtung zu veröffentlichen (vgl. § 5 Abs. 7, Satz 1 Gigabit-RR).
  • Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird europarechtlich auch als Diskriminierungsverbot (Art. 18 AEUV) bezeichnet. Ein faires Auswahlverfahren ist nach objektiven Maßstäben auszurichten. Jeder Bieter bzw. Teilnehmer muss bei der Erstellung der Angebote bzw. Teilnahmeanträge über die gleichen Chancen verfügen.
  • Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dient dem Schutz interessierter Bieter bzw. Teilnehmer vor zu hohen und überzogenen Anforderungen an die Leistungsbeschreibung, die Eignung und den Zuschlag, die vom Auftraggeber gestellt werden.
  • Freier Wettbewerb bedeutet, jedem interessierten Bieter bzw. Teilnehmer die erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen, um diesem die Möglichkeit und den Zugang zu eröffnen, am Auswahlverfahren teilzunehmen.

Zudem hat der Antragsteller die Bestimmungen des Haushaltsrechts zu beachten (vgl. Nr. 5.5 der Förderrichtlinie).

Nachfolgend sind wesentliche Begriffe zum Auswahlverfahren oder zu einzelnen Vorgehensschritten erläutert. Es sollte darauf geachtet werden, den Abschluss des Auswahlverfahrens unter den Vorbehalt der Bereitstellung der Gesamtfördermittel zu stellen.

  • Sofortige Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes

Diese Verfahrensart bietet sich an, wenn die Leistung so eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann, dass alle teilnehmenden Unternehmen die Beschreibung im gleichen Sinn verstehen müssen und miteinander vergleichbare Angebote zu erwarten sind. Bei einem solchen Verfahren fordert der öffentliche Auftraggeber eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Abgabe von Angeboten auf. Bei der Prüfung der Angebote darf von den Bietern nur Aufklärung über das Angebot oder deren Eignung verlangt werden. Verhandlungen, insbesondere über Änderungen der Angebote oder Preise, sind unzulässig.

  • Auswahl des Unternehmens nach Durchführung von Verhandlungen

Diese Art des Verfahrens bietet sich an, wenn lediglich die Aufgabenstellung umschrieben und das Ziel beschrieben werden kann. Den Unternehmen wird Gelegenheit gegeben, den Weg zur Zielerreichung auf der Grundlage eines „Erstangebotes“ selbst darzustellen. Bei einem solchen Verfahren fordert der Auftraggeber zunächst eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Abgabe von Anträgen zur Teilnahme an dem Auswahlverfahren auf. Auf der Grundlage, der mit dem Teilnahmeantrag eingereichten Informationen prüft der Auftraggeber deren Eignung. Nur diejenigen Unternehmen, die nach Prüfung der übermittelten Informationen aufgefordert werden, können ein Erstangebot einreichen. Mit diesen Unternehmen wird über die eingereichten Erstangebote verhandelt, mit dem Ziel, die Erstangebote inhaltlich zu verbessern und/oder zu konkretisieren. Dabei darf über den gesamten Angebotsinhalt verhandelt werden, mit Ausnahme der in den Auswahlunterlagen festgelegten Mindestanforderungen. Am Ende dieses Verfahrens werden alle Bieter von den Änderungen der Auswahlunterlagen unterrichtet. Die Bieter werden aufgefordert, evtl. überarbeitete Angebote einzureichen. Diese Angebote werden dann anhand der mit den Auswahlunterlagen veröffentlichten Zuschlagskriterien gewertet, um den wirtschaftlichsten Bieter feststellen zu können.

  • Bildung von Losen

Je nach Gegenstand des Auswahlverfahrens (Wirtschaftlichkeitslückenmodell: Auswahl des Netzbetreibers; Betreibermodell: Auswahl des Betreibers) können Leistungen in der Menge aufgeteilt als Teillose und/oder getrennt nach Art oder Fachgebiet als Fachlose vergeben werden. Bei der Losvergabe kann der Auftraggeber festlegen, ob Angebote nur für ein Los, mehrere oder alle Lose eingereicht werden dürfen. Er kann die Zahl der Lose festlegen, für die ein Bieter den Zuschlag erhalten kann. Allerdings dürfen mehrere Lose zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern (vgl. § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB). Beispielhaft können hierfür unverhältnismäßige Kostennachteile, verringerter Koordinierungsaufwand, die erleichterte Durchsetzung von Gewährleistungs- und Garantieansprüchen, eine starke Verzögerung des Vorhabens sowie die unwirtschaftliche Zersplitterung des Auftrages genannt werden. Einschränkungen bei der Losvergabe müssen begründet werden.

  • Zulassung von Nebenangeboten

Es gibt grundsätzlich die Möglichkeit, neben den Hauptangeboten auch Nebenangebote zuzulassen. Nebenangebote müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. In der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens ist deutlich zu machen, ob Nebenangebote zugelassen werden oder nicht. Sollten Nebenangebote nicht zugelassen werden, können dennoch Fragen im Hinblick auf Abweichungen beispielsweise im Rahmen eines etwaigen Verhandlungsverfahrens oder qua Bieterfrage geklärt werden.

  • Fristen

Angebotsfrist: Für alle Auswahlverfahren müssen die Fristen ausreichend bemessen (angemessen) sein. Gelten gesetzliche Mindestfristen sind diese zu beachten.

Frist für Bieterfragen: Bieterfragen sollten sechs Tage vor Ablauf der Angebotsfrist von Ihnen beantwortet werden (entspr. § 12a EU Abs. 3 S. 1 VOB/A). Deshalb sollten Sie ein entsprechendes Datum festsetzen, bis zu dem Fragen einzureichen sind.

Bindefrist: Innerhalb dieser Frist ist der Bieter an sein Angebot gebunden. Sie beginnt mit dem Ablauf der Angebotsfrist und ist grundsätzlich so kurz wie möglich zu bemessen. Da der Vertragsschluss vielfach von der endgültigen Bewilligung der Fördermittel abhängig gemacht wird, könnte insofern auch die Bindefrist derart ausgestaltet sein, dass ein festes Datum festgelegt wird, dieses aber in Abhängigkeit der endgültigen Bewilligung variieren kann. Die Festlegung einer Mindestfrist ist ratsam.

  • Eignung/Eignungskriterien

Die Eignung eines Unternehmens kann aufgrund seiner Fachkunde, der Leistungsfähigkeit und der Zuverlässigkeit festgestellt werden. Als fachkundig gilt ein Unternehmen, wenn es über die Sachkenntnisse und technischen Fertigkeiten verfügt, die für die Durchführung der geforderten Leistung erforderlich sind. Die Leistungsfähigkeit ergibt sich aufgrund der personellen, kaufmännischen, technischen und finanziellen Mittel des Unternehmens, die erforderlich sind, um den Auftrag ausführen zu können. Die Zuverlässigkeit eines Unternehmens liegt dann vor, wenn es Gewähr dafür bietet, die von ihm angebotenen Leistungen, die Gegenstand des Auswahlverfahrens sind, vertragsgerecht und damit in sorgfältiger Art und Weise auszuführen. Es muss nachweisen, dass es sich gesetzmäßig verhält (qua Eigenerklärung), wobei u. a. auf die bekannten Erklärungen über das Nichtvorliegen bestimmter Straftaten, Ordnungswidrigkeiten oder sonstiger Verfehlungen abgestellt werden könnte.

Es bleibt dem Auftraggeber überlassen, welche einzelnen Komponenten er auswählt, allerdings müssen diese für die zu erbringenden Leistung angemessen sein. Die geforderten Nachweise sind aus Transparenzgründen detailliert aufzuführen. Sie sind bereits als Bestandteil der dem Auswahlverfahren zugrundeliegenden Unterlagen zu veröffentlichen.

  • Feststellung des wirtschaftlichsten Angebotes (Zuschlagskriterien)

Im Rahmen des Auswahlverfahrens ist derjenige Bieter auszuwählen, der das für die jeweilige Förderart wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat bzw. bei ansonsten vergleichbaren Konditionen den höchsten Betrag für die Nutzung der passiven Infrastrukturen (einschließlich Kabeln, wie unbeschaltete Glasfaser) der öffentlichen Hand zu zahlen bereit ist, sofern hierfür kein behördlich vorgegebener Preis existiert.][1]  Das wirtschaftlichste Angebot wird auf der Grundlage der veröffentlichten Zuschlagskriterien festgelegt.

Die Zuschlagskriterien sind zu gewichten und bereits als Bestandteil der dem Auswahlverfahren zugrundeliegenden Unterlagen zu veröffentlichen.

Preisrelevanter Faktor ist im Wirtschaftlichkeitslückenmodell die Berechnung der Wirtschaftlichkeitslücke. Dabei sind die Einnahmenkalkulation sowie die Investitions- und Betriebskosten relevant. Im Betreibermodell ist für die Kalkulation des Angebots die potentielle Pachthöhe bestimmend.

Für die Kalkulation der förderfähigen Investitions- und Betriebskosten ist klarzustellen, dass nur die Kosten für diejenigen Haushalte förderfähig sind, die zuverlässig mit Bandbreiten von mindestens 1 Gbit/s im Download versorgt werden.

Ein häufiger Fehler ist die Vermengung von Eignungskriterien mit Zuschlagskriterien. Daher sollte hier eine genaue Trennung erfolgen.

  • Mindestanforderungen

Mindestanforderungen sind Vorgaben des Auftraggebers, die vom Unternehmen mit der Abgabe des Angebotes vorgelegt bzw. zugesichert werden müssen und bei der Vertragserfüllung uneingeschränkt zu erfüllen sind. Die Nichterfüllung der Mindestanforderungen rechtfertigt den Ausschluss des jeweiligen Unternehmens. Im Rahmen von Förderprojekten ist die Ausgestaltung der zwingend einzuhaltenden Förderbedingungen als Mindestanforderung sinnvoll.

Eine (nicht abschließende) Auflistung der Mindestanforderungen kann der Anlage 3.4 der o. g. Handreichung entnommen werden.

[1] vgl. Rn. 78 d) der EU- Beihilfeleitlinien; § 5 Abs. 8 Gigabit-Rahmenregelung.

 

Zugehöriges Dokument:
Rahmenregelung zur Unterstützung des flächendeckenden Aufbaus von Gigabitnetzen in „grauen Flecken“ – 13. November 2020 – PDF: 171 kB

 

 

b) Ablauf des Auswahlverfahrens

Nachfolgend werden die wichtigsten Schritte bei der Durchführung eines Auswahlverfahrens erläutert:

  • Je nach gewählter Verfahrensart werden alle notwendigen Unterlagen zum Auswahlverfahren (z. B. Bewerbungsbedingungen mit Angabe der Eignungs- und Zuschlagskriterien, detaillierte Leistungsbeschreibung, weitergehende Informationen) erstellt, und das Auswahlverfahren ist zwingend auf der Online-Plattform www.projekttraeger-breitband.de zu veröffentlichen.
  • Sämtliche eingegangenen Angebote bzw. Teilnahmeanträge werden zu einem in der Bekanntmachung festgesetzten Zeitpunkt geöffnet. Um die Rechtssicherheit dieses Verfahrensschrittes zu wahren, wird das Vier-Augen-Prinzip angewendet.
  • Im Anschluss folgen die Prüfung und Wertung der Angebote. In der formellen Prüfung werden alle Anträge bzw. Angebote ausgeschlossen, die formal oder inhaltlich mangelhaft sind, weil sie z. B. unvollständig, verfristet, nicht unterschrieben oder nicht ordnungsgemäß verschlossen eingereicht wurden. Die vorzunehmende Eignungsprüfung anhand der innerhalb der Veröffentlichung oder den Unterlagen zum Auswahlverfahren vom Auftraggeber festgelegten Eignungskriterien schließt Bieter bzw. Teilnehmer aus, die nicht die erforderlichen Nachweise zur persönlichen Lage und zur wirtschaftlichen, finanziellen sowie technischen Leistungsfähigkeit erbracht haben. Schließlich ist die Erfüllung der in der Veröffentlichung oder in den Unterlagen zum Auswahlverfahren festgelegten Zuschlagskriterien zu überprüfen. Hierbei sind die Ergebnisse im Vermerk anhand einer Bewertungsmatrix festzuhalten und nach der vom Auftraggeber angesetzten Gewichtung zu berechnen.
  • Zum Abschluss des Auswahlverfahrens erhält der Bieter mit dem wirtschaftlichsten Angebot den Zuschlag. Das wirtschaftlichste Angebot ergibt sich i. d. R. aus dem Angebotspreis/Höhe der Wirtschaftlichkeitslücke (beim Wirtschaftlichkeitslückenmodell) bzw. aus der Höhe der Pachteinnahme (beim Betreibermodell) und weiteren, vom Auftraggeber gewichteten Kriterien, wie z. B. Vernetzung umliegender Gebiete, Einsatz nachhaltiger Übertragungstechnologie oder Einsatz innovativer Verlegetechnologien. Zwingend einzuhaltende Förderbedingungen sind in diesem Rahmen zu beachten.

Hinweis: Das gesamte Auswahlverfahren kann bei Vorliegen bestimmter Gründe ggf. aufgehoben werden (z. B. bei Nichtvorliegen eines wirtschaftlichen Angebotes, wesentlicher Änderung der Verfahrensgrundlagen oder sonstigen schwerwiegenden Gründen). In diesem Fall ist die erneute Durchführung eines Auswahlverfahrens unter ggf. veränderten Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung des Auswahlverfahrens angezeigt.

Aus rechtsschutzrelevanten Gründen sind nicht berücksichtigte Bieter vor Zuschlagserteilung grundsätzlich unverzüglich über den Ausgang des Auswahlverfahrens zu informieren. Ihnen sind hierbei die Gründe der Nichtberücksichtigung und der Name des erfolgreichen Bieters zu nennen.

 

c) Dokumentation des Auswahlverfahrens

Große Sorgfalt ist auf eine genaue, vollständige und nachvollziehbare Dokumentation über den ordnungsgemäßen Ablauf des gesamten Auswahlverfahrens zu legen. Alle wesentlichen Gründe für die Entscheidungen des Auftraggebers (z. B. Wahl des Verfahrens, Auswahl/Ausschluss von Bietern/Teilnehmern) und eine zeitliche Dokumentation des gesamten Auswahlverfahrens sind schriftlich niederzulegen.

Die Dokumentation bzw. der Vermerk sollte grundsätzlich folgende Mindestangaben enthalten:

  • Name und Anschrift des Auftraggebers
  • Gegenstand und Wert des Auftrags bzw. Art und Umfang der Leistung
  • Namen der berücksichtigten/nicht berücksichtigten Bieter bzw. Teilnehmer und Gründe für ihre Auswahl bzw. ihren Ausschluss
  • Bieterfragen und deren Beantwortung
  • Name des erfolgreichen Bieters und Begründung